Warum sich junge Menschen selbst verletzen und mögliche Handlungsalternativen

Wenn sich Kinder oder Jugendliche plötzlich beginnen sich selbst zu verletzen, oftmals durch „Ritzen“, gerät das Umfeld oft in helle Aufregung. Unter „Ritzen“ bezeichnet man jede Art von absichtlicher, direkter Schädigung der Körperoberfläche. Dabei werden Klingen aller Art verwendet, auch Glasscherben, u. dgl. Mädchen weisen eine ca. dreimal höhere Tendenz zu selbstverletzendem Verhalten auf als Jungen.

Ritzen, kann in den meisten Fällen vordergründig nicht mit der Absicht verbunden werden Suizid zu begehen, das ist eine wichtige Abgrenzung. Es ist jedoch sehr wichtig, jeden einzelnen Fall mit einem Experten zu besprechen, um einen Suizidverdacht so gut wie möglich ausschließen zu können. In der Fachliteratur werden verschiedene Ursachen für „Ritzen“ angeführt, von denen einige untenstehend aufgelistet sind, wie zum Beispiel:

  • Eine innere Spannung hervorgerufen durch den Verlust oder drohenden Verlust einer wichtigen Bezugsperson
  • Unglücklich Sein in Beziehungen
  • Wut
  • Kränkung
  • Zurückweisung
  • soziale Isolation
  • Scheitern im Prozess zum Selbstständig werden
  • Sexualität
  • Gruppenzwang in einer Peer Group
  • Hilfeschrei der Seele
  • Mobbing (bei Mobbing kann sich der Risikofaktor um den zwölffachen Wert erhöhen)
  • Streit in der Familie
  • Traumatische Erlebnisse

Im klinischen Praxis zeigt sich eine hohe Häufigkeit bei sich selbstverletzenden Patienten im Zusammenhang anderen psychischen Problemen, wie zum Beispiel der Impulskontrolle, oder Spannungs- und Emotionsregulation – wenn man sich verletzt, setzt man der Belastung etwas entgegen, was dann als Entlastung empfunden wird, sozusagen ein vordergründiger Akt, den man selbst kontrollieren kann.

Aus meiner therapeutischen Erfahrung kann ich berichten, dass selbstverletzende Verhaltensweisen wie „Ritzen“ oft in Zusammenhang mit zwischenmenschlichen Schwierigkeiten in Verbindung stehen. Diese Belastungssituationen führen zu emotionalem Stress und münden dann oftmals in selbstverletzendem Verhaltensweisen.

Wie kann die Psychotherapie in solchen Situationen helfen? Es geht in der Psychotherapie darum, den jungen Menschen diese Gefühlszustände bewusst zu machen und neue Handlungsalternativen bzw. Rollen, zu selbstverletzendem Verhalten zu entwickeln. Im besten Fall lernen die Betroffenen, mit den für sie schmerzvollen Situationen anders umzugehen und das neue in der Psychotherapie entwickelte und integrierte Rollen-Repertoire im Erleben abzurufen. Das bedeutet die Betroffenen „Ritzen“ sich nicht mehr, sondern können auf neue adäquate Handlungsalternativen zurückgreifen.

Autor Johann Gartner

 

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